Wir sind Unternehmer – Teil 2 – Hilfe, ich stecke in der Zwickmühle!

Nachts, statt zu schlafen, drehen sich meine Gedanken im Kreis, um dieses eine Thema. Es fühlt sich an, als säße ich in einer Zwickmühle. Ich kann einen Schritt vorwärts gehen, ich kann auch zwei Schritte vorwärts gehen, aber es ändert sich nichts. Rückwärts wäre auch möglich, damit lande ich aber da, von wo ich losgegangen bin. Ich muss diese Entscheidung treffen. Aber keine Variante fühlt sich richtig an. Dabei bin ich doch Unternehmerin und kann auch sonst Entscheidungen treffen. Wie mache ich weiter?

Nicht getroffene Entscheidungen blockieren

Ziemlich entnervt meldete sich diese junge Unternehmerin bei mir. Sie hat ihr Geschäft sehr erfolgreich über die ersten Jahre der Selbständigkeit gebracht. Auf meine Frage: „Wie läuft es denn so bei Ihnen?“ war ihre Antwort: „Ja, irgendwie läuft es ja. Aber es kommt nichts Kreatives aus mir raus. Seit Wochen drehe ich mich im Kreis. Es geht nicht so vorwärts, wie gehofft. Es gab schon bessere Zeiten.“ Sie erzählte mir von ihren vielen kurzen und schlafarmen Nächten, in denen sich die Gedanken um ein Thema immer wieder in ihrem Kopf drehen. Frühmorgens steht sie wie gerädert auf und fühlt sich völlig planlos.

Eine Maschine kaufen oder keine Unternehmerin sein?

Sie steht gerade in dem Punkt, dass sie eine neue, große und leider auch sehr teure Maschine kaufen muss. Aus ihren eigenen Rücklagen kann sie es noch nicht finanzieren und ihre Bank bewilligt ihr keinen Kredit in der entsprechenden Höhe. Für die junge Unternehmerin fühlt es sich gerade an, als wäre es das Ende ihrer Existenz.

Wir versuchen gemeinsam sichtbar zu machen, wer oder was da so in ihrem Kopf rumgeistert. Da gibt es die „Unternehmerin“ die sagt: „Prima, wir wollen wachsen. Also kauf jetzt die Maschine, dann kannst du die nächsten Aufträge endlich annehmen.“ Gleich darauf meldet sich ihre „Risikomanagerin“: „Was, so viel Geld willst du ausgeben? Das hast du doch gar nicht! Selbst wenn du es irgendwo her bekommst, die monatlichen Rückzahlungen fressen alle Gewinne auf. Tu es nicht.“ Soviel zu den eher sachlichen Argumenten.

Wenn du die Maschine nicht ran bringst, bist du auch keine Unternehmerin!

Dann gibt es da aber noch die „Perfektionistin“ in ihr, die pausenlos und ständig ruft: „Wenn du die Maschine nicht ran bringst, dann bist du auch keine Unternehmerin. Das kann ja nicht sein, das du das nicht hinkriegst. Du kannst ja auch deinen Laden gleich zu machen, bist ja keine Unternehmerin!“

Nachdem wir ihre „Perfektionistin“ gefunden hatten, wurde der jungen Unternehmerin vieles klar. Ihr Glaubenssatz: „Du musst alles perfekt machen, du musst Geld beschaffen, sonst bist du keine Unternehmerin.“ war ein Grund, für die Zwickmühle, in der sie steckt. Selbstgewählte Glaubenssätze blockieren uns!

Ihr gedanklicher Rahmen, den sie sich selber geschaffen hatte bestand aus:

  • Möglichkeit A: Geld für die Maschine und hohe Kosten für die Rückzahlung des Kredits – oder –
  • Möglichkeit B: kein Geld für die Maschine, keine neuen Aufträge, keine Unternehmerin

Ihre wichtigste Erkenntnis hier war, in Zukunft genauer nach den „Mitspielern“ und deren Glaubenssätzen zu schauen und darauf zu achten, welche nützlich für sie sind und welche sie in ihrem Denken und Handeln einschränken.

Auswege aus der Zwickmühle suchen und finden

Wow, plötzlich war das Leuchten in ihren Augen wieder da. Ihre Stimme wurde fester, sie konnte wieder lächeln, die Anspannung löste sich. Die „Kreative“ in ihr meldete sich immer mal zu Wort.
Wir besprachen gemeinsam, welche Wege aus der Zwickmühle denn möglich wären und wie sie eine passende Entscheidung treffen kann.

Bei Entscheidungen gibt es häufig mehr als zwei Möglichkeiten.

Meistens sehen wir A „das Eine“ (das Geld für die Maschine und hohe Kosten) und B „das Andere“ (keine Maschine und damit keine neuen Aufträge). A und B bedeuten immer noch Zwickmühle.
Wenn es uns gelingt aus diesem Rahmen „heraus zu denken“ finden wir Möglichkeit C „Beides“ und Möglichkeit D „keins von Beiden“.

Ich konnte sehen, wie es in ihrem Kopf „ratterte“ und es dauerte nicht lange bis die Ideen wieder aus ihr „rausprudelten“.
Ihre Ideen zu Möglichkeit C (Beides):

  • Sie sucht sich eine Kooperationspartnerin, die genau diese Maschine hat und vereinbart mit ihr Nutzungsmöglichkeiten
  • Sie schaut nach Leasing Angeboten oder Teilzahlungsmöglichkeiten oder gebrauchten günstigen Maschinen
  • Sie sammelt Geld über Crowdfunding

Für Möglichkeit D (keins von Beiden) fiel ihr folgendes ein:

  • Sie macht einfach so weiter wie bisher und erhöht ihre Rücklagen, bis sie das von der Bank geforderte Eigenkapital zusammen hat
  • Sie nimmt andere Aufträge an, für die sie diese Maschine nicht braucht. Obwohl es ihr viel Spaß gemacht hätte, genau diese Aufträge und Auftraggeber zu haben.
  • Sie könnte ja auch gerade jetzt über die Familienplanung und endlich Nachwuchs nachdenken und alle geschäftlichen Planungen hinten an stellen
  • Möglich wäre es auch eine Festanstellung anzunehmen, aber das steht nur als letzter Ausweg an.

Nachdem wir diese Liste gemeinsam erstellt hatten, machte die Unternehmerin einen völlig veränderten Eindruck. Sie schien wieder voller Kraft und Stärke zu sein. Sie fühlte sich wieder als Unternehmerin. Sie hatte es geschafft! Sie hatte mehr als 2 Lösungswege für Ihre Situation gefunden. Genügend Ideen sind zusammengekommen, die sie jetzt abwägen wird. Sie hat Auswege aus der Zwickmühle gefunden. In Zukunft wollte sie ganz genau prüfen, was ihre „Perfektionistin“ so von sich gibt, um nicht wieder in die Zwickmühle zu geraten. Sie trifft ihre Entscheidungen in Zukunft klug.

Tetralemma

Ich stelle Euch hier das Modell oder Werkzeug vor, das wir angewendet haben:

„Das Tetralemma in der systemischen Strukturaufstellung ist eine von Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd entwickelte Adaptation eines logischen Schemas aus der indischen Logik (siehe Tetralemma) für die Anwendung im Bereich von systemischem Coaching, Beratung und Therapie und der systemischer Strukturaufstellung. Dabei soll der Entscheidungs- und Handlungsraum beim Vorliegen eines sogenannten „Dilemmas“ erweitert werden.

Ausgegangen wird von zwei Entscheidungsmöglichkeiten, die sich zunächst auszuschließen scheinen, also einem Dilemma mit zwei Positionen:
1. Position: Das Eine
2. Position: Das Andere
Aus diesem Dilemma heraus führen soll zunächst die Einnahme einer Position, die „Beides“ genannt wird.
3. Position: Beides.
Ein zusätzlicher Schritt kann weiter zu einer 4. Position führen, dem „Keins von Beidem“.
4. Position: Keines von Beidem“

Quelle: Wikipedia

Ich finde dieses Werkzeug sehr einfach und hilfreich. Damit steigen wir aus unserer, sich im Kreis drehenden Gedankenwelt aus und schauen über den Tellerrand. Dabei werden plötzlich Alternativen sichtbar, die uns ganz neue Ansatzpunkte für kluge Entscheidungen und Lösungen liefern.

Dann wünsche ich Euch viel Kraft, denkt immer mal über den eigenen Tellerrand hinaus und trefft kluge Entscheidungen.

Eure Annette Berger

In dieser Reihe bereits erschienen:

Wir sind Unternehmer – Teil 1 – Die Rollen des Unternehmers!

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